Sonntag, 20. September 2009
Millionen-Ablösesumme für Berlusconi? - Johs Ruhe im Gespräch
Die EU-Kommission bleibt auf ihrem Kurs und verlangt gleiches Recht für alle Bürger der EU. Dabei scheut sie auch nicht vor einer Klage gegen alle Mitgliedsstaaten zurück. Johs Ruhe sprach mit Hinnerk J. Timm, Professor für Europäisches Verwaltungsrecht an der FH Husum.

Ruhe:
Herr Timm, dass die EU-Kommission alle EU-Staaten gleichzeitig vor dem Europäischen Gerichtshof zerrt, ist doch ungewöhnlich.
Timm:
Es ist in der Tat ein einmaliger Vorgang.
Ruhe:
Erläutern Sie doch unseren Lesern bitte kurz den Hintergrund der Auseinandersetzung.
Timm:
Die Kommission vertritt die Auffassung, dass Politiker ein Beruf ist wie jeder andere, und daher auch den entsprechenden Arbeitsmarkt-Vorgaben der EU unterliegt.
Ruhe:
Welche Konsequenzen hätte es, wenn sich die Kommission mit ihrer Auffassung durchsetzen würde?
Timm:
In erster Linie bedeutete es, dass der Arbeitsmarkt für Politiker EU-weit geöffnet werden müsste. Bisher verhindern ja nationalstaatliche Regularien, dass z.B. ein französischer Staatsbürger in Deutschland Bundeskanzler werden kann. Derartige Beschränkungen lehnt die EU-Kommission aus grundsätzlichen ordnungspolitischen Überlegungen heraus ab.
Ruhe:
Herr Timm, sie beschäftigen sich seit langer Zeit mit dieser Problematik. Wie beurteilen sie die Chancen der EU-Kommission, sich vor Gericht durchzusetzen?
Timm:
Außerordentlich gut. Sehen sie, die Politikerlaufbahn wird heute in der Regel bereits vor dem 20. Lebensjahr eingeschlagen. Nachwuchs-Politiker, so zwischen 25 und 35 Jahren alt, sind aufgrund ihrer sehr spezifischen Qualifikationen gar nicht mehr in der Lage, in anderen Berufsfeldern tätig zu sein. Auf der anderen Seite gibt es dagegen kaum mehr Quereinsteiger, z.B. aus der Wirtschaft, die in der Lage sind, in der Politik Fuß zu fassen. Das ist ein klarer Beleg für die Professionalisierung der Politik. Politik mag früher als Hobby oder Ehrenamt betrieben worden sein; heute ist es – ich denke, da kann man der EU-Kommission vorbehaltlos beipflichten - ein Job, der eine je nach Aufgabenstellung mehr oder weniger hohe Qualifikation verlangt.
Ruhe:
Welche praktische Bedeutung würde ein Erfolg der Klage für die praktische Politik haben?
Timm:
Wir werden Verhältnisse ähnlich wie im Profi-Fußball bekommen. Ich erläutere ihnen das einmal an einem Beispiel: der spanische Verein Real Madrid ist mit dem müden Gekicke seiner Truppe nicht mehr zufrieden und verpflichtet als Verstärkung den portugiesischen Star Christiano Ronaldo; als Ausgleich erhält sein bisheriger Arbeitgeber eine Ablösesumme von 93 Millionen Euro. Entsprechend könnte ich mir vorstellen, dass die CDU mit ihrer müden Außendarstellung unzufrieden ist und durchaus bereit wäre, eine beträchtliche Summe in die Hand zu nehmen um z. B. Silvio Berlusconi zu verpflichten.
Ruhe:
Wie könnte Berlusconi der CDU denn weiterhelfen?
Timm:
Berlusconi besitzt herausragende Fähigkeiten, zu polemisieren und zu polarisieren, und ganz einmalig ist seine Kunst, sogar mit Skandalen und Skandälchen noch beim Wähler zu punkten. Das sind Qualitäten, die Frau Merkel – bei allem Respekt vor ihrer Leistung – abgehen.
Ruhe:
Eine einleuchtende Analyse, Herr Professor Timm!
Timm:
Danke. Es würden auch andere Ungerechtigkeiten aus der Welt geschafft. Denken sie an Politiker wie Jean-Claude Juncker. Als Luxemburger bleibt er Zeit seines Lebens auf ein Land beschränkt, das grade einmal die halbe Größe einer Stadt wie Köln hat. Ein Job z.B. als Ministerpräsident des Saarlandes wäre da ein echter Karrieresprung. Im Gegenzug könnten erfahrene Politiker wie Gerhard Schröder, die in Deutschland nicht mehr vermittelbar sind, in Kleinstaaten wie Luxemburg durchaus noch einige Jahre einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen.
Ruhe:
Unter dem Strich werden wir alle profitieren?
Timm:
Ich sehe zumindest ein großes Potential für eine positive Entwicklung.
Ruhe:
Herr Professor, ich danke ihnen für das Gespräch.

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HAHAHAHA...
sehr gut! Drei Daumen!

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