Donnerstag, 1. Oktober 2009
Keine Chance für das Bedingungslose Grundeinkommen – Johs Ruhe im Gespräch
Seit langem wird von ganz unterschiedlichen Seiten das Bedingungslose Grundeinkommen propagiert. Johs Ruhe sprach mit dem Politikwissenschaftler Prof. Gerhard Schnallsteg über die Frage, ob mit dem Ausgang der Bundestagswahl die Verwirklichung dieser Idee näher gerückt sei.

Ruhe:
Herr Prof. Schnallsteg, das Bedingungslose Grundeinkommen – was ist das eigentlich?
Schnallsteg:
Nun, sie müssen sich darunter so etwas vorstellen wie eine Verlängerung des Kindergeldes. Es würde sozusagen die Lücke zwischen Kindergeld und Rente schließen.
Ruhe:
Und dieses Grundeinkommen würde ausreichen, um meinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten?
Schnallsteg:
Ich denke, ihren Lebensunterhalt … ja, den schon. Meinen wohl nicht. Aber das ist natürlich auch eine Frage des Niveaus, auf dem man sich bewegt.
Ruhe:
Des persönlichen Anspruchsdenkens?
Schnallsteg:
Genau das meine ich. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist eher an dem Minimalanspruch der breiten Masse der Bevölkerung ausgerichtet, also Flachbildschirm, Kabelanschluss und ähnliches. Wer mehr will, wer also die üblichen darüberhinausgehenden Statussymbole wie Geländewagen, Reitpferd oder Ein-Familien-Haus zu benötigen meint, muss dafür dann schon selbst sorgen.
Ruhe:
Wie steht es denn ihrer Meinung nach um die Finanzierbarkeit des Grundeinkommens?
Schnallsteg:
Das ist das geringste Problem. Im Gegenteil. Es käme deutlich günstiger als unser derzeitiges Hartz 4-System.
Ruhe:
Aber weshalb ist es dann nicht schon lange umgesetzt? Wäre nicht gerade von der SPD zu erwarten …
Schnallsteg:
Gerade von der SPD nicht! Sehen sie, es gibt einen Grundkonsens unter nahezu allen Parteien, und zwar das Prinzip „Fördern und Fordern“. Was heißt das nun. Ich will ihnen das erklären.
Ruhe:
Bitte!
Schnallsteg:
Im Grunde steht dahinter ein pädagogisches Verständnis von Politik. Es wird das Lehrer/Schüler-Verhältnis übertragen, das ja allen an diesem Spiel Beteiligten hinlänglich bekannt, weil von klein auf eingebimst ist. Also auf der einen Seite der Bürger als Schüler, unwissend, unselbständig und hilfebedürftig, und auf der anderen Seite der politische Amtsträger in seiner selbstdefinierten Überlegenheit. Gerade die SPD, die ja von einer Arbeiterpartei immer mehr zu einer Partei der beamteten Pädagogen mutiert ist, basiert in ihrem Selbstverständnis auf dieser Machtverteilung.
Ruhe:
Sie sehen die Widerstände gegen das Grundeinkommen also im Psychologischen ?
Schnallsteg:
Ausschließlich, Herr Ruhe, ausschließlich. Machen sie sich frei von dem Vorurteil, Politik habe mit rationalem Handeln zu tun.
Ruhe:
Also keine Chance für das Grundeinkommen?
Schnallsteg:
Nein, Herr Ruhe. Es wäre das Gleiche, als wenn man Schülern die Freiheit gäbe, das zu lernen, was sie interessiert. Wo kämen Lehrer da hin!
Ruhe:
Danke, Herr Professor, für ihre Erläuterungen!

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