Freitag, 2. Oktober 2009
Was uns unser Staat wert sein sollte – Johs Ruhe im Gespräch
Die Privatisierung staatlicher Aufgaben wird gerne als Mittel der Haushaltskonsolidierung angeführt. Was sonst noch dafür oder dagegen spricht, versuchte Johs Ruhe im Gespräch mit Prof. Gerhard Schnallsteg zu klären.

Ruhe:
Herr Prof. Schnallsteg, seit langem beobachten wir, dass staatliche Aufgaben zunehmend privatisiert werden. Wird sich diese Tendenz unter einer schwarz-gelben Bundesregierung fortsetzen oder gar verstärken?
Schnallsteg:
Sicherlich, Herr Ruhe, genauso wie die Tendenz, staatliche Leistungen nur noch gegen Gebühr zu erbringen.
Ruhe:
Sehen sie nicht die Gefahr, dass die Akzeptanz eines Staates, der immer weniger Leistungen für seine Bürger zu erbringen in der Lage ist, sinken wird?
Schnallsteg:
Überhaupt nicht. Sehen sie, es ist doch so: der Wert von Leistungen, die gratis erbracht werden, wird in der Regel gar nicht erkannt. Schon aus diesem Grund ist es sinnvoll, möglichst alle staatlichen Leistungen nur noch gegen zumindest kostendeckende Gebühren zu erbringen. Im Gegenzug könnten dafür die dringend benötigten Steuersenkungen umgesetzt werden. Ich denke, ein Zeitrahmen von zehn Jahren für eine derartige Umgestaltung ist zwar anspruchsvoll, aber durchaus nicht unrealistisch.
Ruhe:
Sie halten also eine allmähliche Einführung für den sinnvoll?
Schnallsteg:
Es gibt ja schon vielversprechende Ansätze wie die Studiengebühren. Die könnten jetzt sehr schnell durch Schulgebühren ergänzt werden. Das würde dann auch den sogenannten bildungsfernen Schichten den Wert dieser Bildung vor Augen führen.
Ruhe:
Befürchten sie nicht, dass auf diese Weise der Zugang zu Bildung für einkommensschwächere Schichten überhaupt unmöglich wird?
Schnallsteg:
Nein, so weit wird es natürlich nicht kommen. Es wird unterschiedliche Arten des Zugangs geben. Die einen Kinder werden Zugang zur Musik finden, indem sie ein Instrument erlernen, die anderen durch die Beherrschung eines MP3-Players.
Ruhe:
Aber die Privatisierung wird doch nicht auf den Bereich der Bildung beschränkt bleiben?
Schnallsteg:
Selbstverständlich nicht. Übrigens plädiere ich dafür ein duales Finanzierungsmodell ähnlich wie im Gesundheitswesen. Der Bürger zahlt eine monatliche Sicherheitsversicherung, und wenn er dann zu seinem Schutz den Einsatz der Polizei benötigt, hat er nur noch einen begrenzten Eigenanteil zu tragen. Das wäre eine soziale Komponente, die mögliche Härten für den Einzelnen abfedern könnte.
Ruhe:
Sie halten ein solches System also nicht für unsozial?
Schnallsteg:
Im Gegenteil. Stellen sie sich einmal vor, in welchem gewaltigen Umfang Steuerermäßigungen möglich wären, wenn der Staat die Staatsbürgerschaften selbst nur noch gegen entsprechende Gebühr und auf Zeit verleihen würde! Mit abgestufter Rechtevergabe, je nach Höhe der geleisteten Zahlung wären sie ein zum Beispiel ein Staatsbürger Light, ein Staatsbürger Professional oder ein Staatsbürger Premium –bei einer derartigen Wahl hätte der Bürger - anderes als bei der Bundestagswahl - eine echte Alternativen!
Ruhe:
Das sind faszinierende Aussichten, Herr Professor, vielen Dank für das Gespräch.

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