Samstag, 26. September 2009
Kein Stillstand bei der inneren Sicherheit! - Jos Ruhe im Gespräch
Die Süddeutsche Zeitung gab einen ersten Überblick über die Pläne des Bundesinnenministeriums zur zukünftigen Sicherheitspolitik. Johs Ruhe sprach mit dem Sicherheitsexperten Karl Großenbrode über die Hintergründe.

Ruhe:
Herr Großenbrode, allgemein herrscht laute Aufregung über die Pläne aus dem Ministerium Schäuble. Können Sie das nachvollziehen?
Großenbrode:
Selbstverständlich. Es sind die üblichen automatischen Reaktionen der "Easy Way Analytics"-Software. Sachlich ist das ganze aufgeregte Gezeter natürlich nichts als Unfug.
Ruhe:
Welche Intentionen sehen sie denn hinter den Plänen?
Großenbrode:
Für die Sicherheitsdienste gilt auch – und das ist nicht anders als bei ihnen oder mir – Stillstand ist Rückschritt. Und angesichts der gewaltigen Herausforderungen, denen sich unsere freiheitliche Demokratie gegenüber sieht, können wir uns das nun wahrlich nicht leisten.
Ruhe:
Können sie uns diese Bedrohungen kurz skizzieren?
Großenbrode:
Selbstverständlich! Jeder kennt die Stichworte internationaler Terrorismus und organisierte Kriminalität. Aber die staatliche Autorität wird vielfältiger bedroht: die massenhafte Erschleichung von Sozialleistungen belastet die öffentlichen Haushalte, niemand kann sich mehr sicher sein, dass ihm linke Terroristen nicht das mühsam zusammengesparte Auto anzünden oder ihn Jugendliche mit einem ... äh ... ich sag einmal, einem dubiosen Hintergrund zu Tode prügeln.
Ruhe:
Und in all diesen Bereichen sollen die geplanten Änderungen Verbesserungen bewirken?
Großenbrode:
Sie müssen sehen, dass die Initiative des BMI zweierlei Wirkungen hat: zum einen werden die Handlungsspielräume der Ermittler beträchtlich erweitert. Zum anderen aber, und das halte ich für außerordentlich wichtig, werden wir eine psychologische Wirkung erzielen, die gar nicht überschätzt werden kann.
Ruhe:
Das müssen sie uns erläutern, Herr Großenbrode.
Großenbrode:
Jeder Chef weiß, dass nur motivierte Mitarbeiter Leistung bringen, jeder Fußballtrainer weiß, dass ein Mittelstürmer ohne Selbstvertrauen keine Tore schießt ...
Ruhe:
Unseren Sicherheitskräften mangelt es also ihrer Analyse nach an Selbstbewusstsein?
Großenbrode:
Ja, das ist das eigentliche Übel. Was können sie denn auch erwarten von Beamten, die sich ständig rechtfertigen müssen, die nicht selbstständig entscheiden dürfen, wen sie wann, wo und wie abhören!
Es ist ähnlich wie bei den PISA-Studien: im internationalen Vergleich stehen wir da wie sicherheitstechnische Analphabeten.
Ruhe:
So schlimm habe ich das gar nicht empfunden!
Großenbrode:
Vergleichen sie einmal das Auftreten unserer Beamten mit dem von Sicherheitskräften in Ländern wie, ich nenn ihnen nur einmal zwei Bespiele, China oder Weißrussland. Den Unterschied sehen sie doch sofort.
Ruhe:
Jetzt beginne ich doch, mir Sorgen zu machen, Herr Großenbrode.
Großenbrode:
Na, Herr Ruhe, Kopf hoch! Geben sie den Schäuble-Leuten ein paar Jahre Zeit, und sie werden dieses Land nicht wiedererkennen!
Ruhe:
Da atme ich auf, Herr Großenbrode, ich danke ihnen für diese beruhigende Fazit!

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