Montag, 21. September 2009
Nomen est omen, oder: wie Zeugnisnoten zustande kommen – Johs Ruhe im Gespräch
Eine Untersuchung der Uni Oldenburg legt den Verdacht nahe, dass Grundschullehrerinnen die Namen ihrer Schüler für wichtiger halten als ihre Leistungen. Johs Ruhe sprach mit dem Nomenologen Professor Dr. Korund über die Bedeutung von Vornamen.

Ruhe:
Herr Professor Korund, sie sind Nomenologe. Was genau haben sich unsere Leser darunter vorzustellen?
Korund:
Zunächst einmal muss ich vorwegschicken, dass die Nomenologie nicht, obwohl ich ihnen sagen muss, dass das häufig geschieht, also sie darf nicht verwechselt werden mit der Numenologie, mit der sie ja oft verwechselt wird. Also die Nomenologie ist eine uralte Wissenschaft, schon die Römer sagten ja „nomen est omen“, und sie hat bis heute ihre Bedeutung nicht eingebüßt, ganz im Gegenteil, wenn ich das einmal sagen darf.
Ruhe:
Und womit genau beschäftigen Sie sich?
Korund:
Mit der Wirkung der Namen, besonders, aber keineswegs nur!, der menschlichen Namen, und zwar der persönlichen Namen, also der Vornamen, wenn ich das einmal so nennen darf. In früheren Jahrhunderten hat es diese Unterscheidung zwischen Nachnamen und Vornamen ja auch gar nicht gegeben, das macht es für uns natürlich auch nicht immer leichter!
Ruhe:
Herr Professor, in den letzten Tagen hat es eine sehr intensive Diskussion über eine erziehungswissenschaftliche Studie der Universität Oldenburg gegeben, welche zeigte, dass die Bewertungen von Grundschülern nicht von ihren Leistungen, sondern von ihren Vornamen abhingen. Wie sehen sie diesen Zusammenhang?
Korund:
Ich habe das am Rande verfolgt, die ganze Diskussion ist aus der Sicht des Nomenologen, wenn ich das einmal so sagen darf, also aus meiner Sicht geht es da, also in dieser Diskussion, also es geht da wenig wissenschaftlich zu.
Ruhe:
Was genau kritisieren sie, Herr Professor?
Korund:
Nun, die eigentliche Fragestellung ist doch, und dazu haben wir gerade an meinem Lehrstuhl in den vergangenen Jahrzehnten viel Material angesammelt, enorm viel Material, also die eigentliche Frage ist doch, in welcher Weise Namen und Persönlichkeitsmerkmale verknüpft sind. Wir sprechen hier von Korrelation. Dass dieser Zusammenhang besteht, kann heutzutage wissenschaftlich nicht bestritten werden, die Frage ist natürlich, und hier kommen wir in ganz andere Bereiche, also die Frage ist dann zu stellen, ob und in welchem kausalen Zusammenhang jetzt Name und Persönlichkeit zu sehen sind. Es gibt hier durchaus kontroverse Thesen, und auch, ja, so meine ich doch, auch eine ganze Reihe vielversprechender neuer Forschungsansätze, aber es herrscht in der Nomenologie ein grundsätzlicher Konsens, und das möchte ich hier einmal betonen, ein allgemeiner grundsätzlicher Konsens in dieser Frage. In der von Ihnen erwähnten Studie – ich sage das einmal so verkürzt – wird aber gerade diese Problematik ignoriert, also die Verfasserinnen der Studie gehen von vornherein, und dies ist ein typisches Merkmal einer unwissenschaftlichen Herangehensweise an ein Thema, also die Verfasserinnen setzen geradezu voraus, dass es einen derartigen Zusammenhang nicht gibt!
Ruhe:
Wie kommt es ihrer Meinung nach zu dieser verkürzten Sichtweise?
Korund:
Nun, als Erziehungswissenschaftlerinnen ist den beiden Verfasserinnen natürlich bekannt, das Zeugnisnoten- und letzten Endes muss man nicht Erziehungswissenschaft studiert haben, um zu dieser Erkenntnis gelangt zu sein, verstehen sie, jeder Schüler hat während seiner Schulzeit diese Erfahrung gemacht – also die beiden Damen wissen natürlich, dass es keinen direkten Zusammenhang gibt zwischen Zeugnisnoten und schulischen Leistungen. Darauf, also auf diesem Zusammenhang beruht aber das gesamte Benotungssystem unserer Schulen, also eigentlich unser gesamtes Schulsystem. Und genau dieses System, beziehungsweise seine Voraussetzungen, versuchen die beiden Verfasserinnen zu retten, indem sie praktisch eine zusätzliche Variable, wenn sie verstehen, was ich meine, einführen, so etwas wie einen NamensVorurteilsKoeffizienten, der die angeblich mögliche korrekte Zensur verzerrt.
Ruhe:
Also ich habe jetzt nicht alles verstanden, aber so im wesentlichen, wenn ich mal zusammenfasse: es gibt keinen Zusammenhang zwischen schulischen Leistungen und Zeugnisnoten?
Korund:
Genau.
Ruhe:
Ich danke ihnen persönlich für diese Feststellung, Herr Professor. Es erklärt vieles und erleichtert auch das Verhältnis zu meinen beiden Söhnen!

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