Samstag, 19. September 2009
Wie die Zukunft unserer Kinder gestaltet wird - Johs Ruhe im Gespräch
Johs Ruhe traf Christa Ploeth, die Senatorin für Schule, Beruf und Weiterbildung im Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, im neugestalteten EKZ Hamburger Straße, direkt neben den gewaltigen Bürotürmen, in denen auch die Schulbehörde residiert.

Ruhe:
Frau Ploeth, sie haben eine Reform des Hamburger Schulsystems mit außerordentlich ehrgeizigen Zielen initiiert. Können Sie uns diese Ziele erläutern?
Ploeth:
Nun, zunächst einmal möchte ich festhalten, dass es mir gelungen ist, die Gewichte im Hamburger Schulwesen wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Im Mittelpunkt des Hamburger Schulwesens steht wieder die theoretische, konzeptionelle Arbeit in der Behörde und nicht die oft sehr widersprüchliche und unproduktive Bemühung von Lehrern und Schulleitern vor Ort.
Ruhe:
Da müsste man doch wohl eher sagen, dass sie das Schulwesen von den Füßen auf den Kopf gestellt haben!
Ploeth:
Ja, so könnte man das natürlich auch sagen! (lacht) Aber entscheidend ist, dass die Verantwortung für unser Schulwesen – und ich sage ganz bewusst, dass das eine politische Verantwortung ist, die uns, also den verantwortlichen Politikern, niemand abnehmen kann – also diese Verantwortung, die nehme ich, und dabei habe ich die Unterstützung meiner Kollegen im Senat und des Bürgermeisters, also diese Verantwortung nehme ich bewusst wahr, und die lasse ich mir auch von niemandem nehmen!
Ruhe:
Ja.
Ploeth:
Es ist schließlich auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit!
Ruhe:
Ja. Aber noch einmal die Frage zum Inhalt der Reform: könnten sie unseren Lesern in wenigen Worten die hauptsächlichen Überlegungen erläutern, aus denen die Ziele der Schulreform entstanden sind?
Ploeth:
Lassen sie mich einen wichtigen, vielleicht den entscheidenen Punkt herausgreifen. Wir haben bislang eine Übergangsquote zwischen Grundschule und Gymnasium von ca. 50%. Das ist natürlich nicht ausreichend. Wir haben jetzt verschiedene Überlegungen angestellt, wie wir den Schülern, die nach vier Grundschuljahren noch keine Gymnasialreife erworben haben, helfen können. Eins war uns von vornherein klar: es wird nicht möglich sein, diese Schüler – also praktisch die Hälfte eines kompletten Jahrgangs – die gesamte vierte Klasse an der Grundschule wiederholen zu lassen. Dies wäre mit unserem übergeordneten politischen Zielsetzungen von einer Verkürzung der gesamten Schulverweildauer nicht zu vereinbaren gewesen.
Ruhe:
Aber sie haben eine Weg gefunden!
Ploeth:
Eigentlich war die Lösung ganz naheliegend: wir verlängern die Grundschulzeit einfach für alle Schüler um zwei Jahre. Ich bin außerordentlich zuversichtlich, dass wir es innerhalb dieser sechs Jahre schaffen werden, mehr als 87% aller Schüler auf einen Leistungsstand zu bringen, der sie befähigt, die Eingangvoraussetzungen für die 5. Klasse des Gymnasiums zu erfüllen.
Ruhe:
Aber diese 5.Gymnasialklassen wird es doch dann nicht mehr geben!
Ploeth:
Natürlich nicht. Aber dem begegnen wir mit einer Reform der Lehrpläne. Wir beginnen zukünftig in der 7. Klasse des Gymnasiums mit dem Stoff, der früher in der 5. Klasse gelehrt wurde. Darüberhinaus entrümpeln wir die gymnasiale Ausbildung von allem überflüssigen Ballast. Mittelfristig werden wir auch den Fächerkanon verschlanken können. Ich bin sicher, dass unsere Schüler keine Probleme haben werden, auch zukünftig nach 12 Schuljahren die Abiturprüfungen erfolgreich zu absolvieren.
Ruhe:
Das klingt, als käme noch erhebliche Arbeit auf sie zu!
Ploeth:
Ich denke, dass wir das in den Griff bekommen werden. Schließlich gibt es mehr als genug Lehrer, die nur zu gerne aus dem oft unbefriedigenden Alltag an der Schule in die Planungsstäbe meiner Behörde wechseln möchten. Hier, und nicht in den Klassenzimmern, wird die Zukunft unserer Kinder gestaltet!
Ruhe:
Wie wollen sie das in der Praxis umsetzen?
Ploeth:
Es bedarf nur einiger kleiner Korrekturen an den Stellenplänen. Das ist ein ganz normaler Vorgang.
Ruhe:
Werden die Schulen nicht Probleme bekommen, wenn weitere Stellen gestrichen werden?
Ploeth:
Es werden ja keine Stellen gestrichen, sie werden nur verlagert. Ein ganz normaler Vorgang, wir optimieren unsere Stellenpläne ständig. Ich denke, ein kleines Minus im operativen Bereich werden die Schulen verkraften können. Das wird unter 10% der derzeitigen Lehrerstellen liegen. Das sind Kürzungen, die im Vergleich zu den Personalkürzungen in der Privatwirtschaft sehr zurückhaltend sind. Falls es dennoch zu Engpässen kommen würde, können wir ja über eine weitere Korrektur der Lehrpläne gegensteuern.
Ruhe:
Benötigten sie für eine derartige zusätzliche Änderung der Lehrpläne nicht weitere Fachleute in der Behörde?
Ploeth:
Ich sehe da kein Problem. Im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass die personellen Kapazitäten einer Behörde gar nicht zu groß sein können.
Ruhe:
Frau Ploeth, wir müssen dies Gespräch nun leider abbrechen, mein Kaffee wird sonst kalt. Ja, auch wir müssen Prioritäten setzen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Ploeth:
Ja, meine Mittagspause ist auch gleich vorbei, da muss ich zurück in mein Büro, aber wenn sie häufiger hier mittags im Tchibo sind, können wir uns sicher in den nächsten Tagen noch weiter unterhalten. Tschüss!

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