Mittwoch, 16. September 2009
Der Charakter einer Epidemie ist bösartig - Johs Ruhe im Gespräch
Grippe-Epidemien sind in. Inzwischen gehören sie zu den beliebtesten Themen der Boulevardpresse. Wie schaffen sie es immer wieder auf die Titelseiten? Unser Mitarbeiter Johs Ruhe sprach mit Herrmann Pabbel, einem Experten für Marketing und Public Relation im Gesundheitswesen:

Ruhe:
Herr Pabbel, Sie beschäftigen Sie sich mit Grippeepidemien - können Sie uns das genauer erläutern?
Pabbel:
Nun, eine ausgewachsene Grippeepidemie ist ein enorm komplexer Vorgang. Erkrankungen allein reichen da nicht. Die Weltgesundheitsorganisation hat genaue Kriterien festgelegt, ab wann von einer Epidemie gesprochen werden kann.
Ruhe:
Was genau macht denn den Charakter einer Epidemie aus?
Pabbel:
Den Charakter einer Epidemie? Nun, der Charakter ist zunächst einmal bösartig, extrem bösartig, sozusagen per definitionem. Aber das sind ja Selbstverständlichkeiten. Sie dürfen sich das nicht einfach so vorstellen, dass da nur eine bestimmte Zahl von Erkrankungsfällen auftreten muss, und schon haben wie eine Epidemie! Eine Epidemie ist immer mit einer Kernbotschaft nach dem GHM –Prinzip verknüpft, also das heißt, dass die Partialbotschaften Gesundheitsgefährdung, Heimtücke und Massenauftreten transportiert werden. Das entscheidende Kriterium ist immer die mediale Rezeption der Kernbotschaft: von einer Epidemie sprechen wir erst, wenn mindestens 80 % der Bevölkerung über die Massenmedien in Kontakt mit der Kernbotschaft gekommen ist. Als Faustregel gilt: erreichen sie 15 % der Bevölkerung, baut sich gemäß des Fluxhopschen Dynamischen Wellenmodells eine auf sich selbst bezügliche Wachstumsbewegung auf. Populär gesprochen: ein Medienhype. Überschreiten wir die Marke von 80% und erreichen darüberhinaus eine international flächendeckende Aufmerksamkeit, sprechen wir von einer Pandemie. Die Erkrankungsfälle selbst sind hierbei nicht entscheidend.
Ruhe:
Das überrascht mich jetzt. Heißt das, dass nicht jede Epidemie mit tatsächlichen Erkrankungen in Zusammenhang steht?
Pabbel:
So weit würde ich jetzt nicht gehen. Aber es genügen tatsächlich einige wenige Fälle als Auslöser. Der Rest ist dann mein Job. Im Übrigen ist man sich bei der WHO durchaus im Klaren darüber, dass nicht jede Epidemie tatsächlich eine Bedrohung darstellt. Sie müssen sich das eher als eine Art Testlauf vorstellen, für den Ernstfall. Außerdem ist es eigentlich egal, ob Test oder Ernstfall: geschäftlich gesehen bleibt die Angelegenheit gleich. Sie dürfen nicht vergessen, dass gewaltige Apparate aufgebaut worden sind, Behörden im staatlichen Bereich, aber auch im Bereich der NGO’s, und die müssen ausgelastet werden.
Ruhe:
Wie gehen sie denn konkret vor?
Pabbel:
Allgemein empfiehlt es sich, mit kleinen, klar abgegrenzten Zielgruppen zu beginnen. Das Optimum an Kommunikationsresponse ist in der Regel bei Politikern zu erreichen. Aus dem Fehlen eigener Fachkenntnisse in Verbindung mit einem Mangel an Realitätsbezug ergibt sich ein außerordentlich günstiger Hysteriereaktions-Koeffizient.
Ruhe:
Wie wirkt sich das aus?
Pabbel:
Sie müssen berücksichtigen, dass Politiker – also von ihrer Persönlichkeit her - in der Regel eher Diskurs-orientiert sind. Politiker wissen aber auch, dass sie in der Öffentlichkeit als handlungsorientiert und entscheidungsstark erscheinen müssen. Hier setzen wir an. Wir bieten den Entscheidungsgremien komplette Handlungsabläufe an. Dabei geben wir sogar eine von uns sogenannte Kompetenz-Image-Garantie.
Ruhe:
Auf diese Weise kommt es dann zu Massen-Impf-Programmen?
Pabbel:
Nein, soweit sind wir noch nicht. Zunächst einmal kommt es nur zur massenhaften Anschaffung des Impf-Serums. Massenimpfungen erfolgen erst, wenn der Hysteriewert auch in der Bevölkerung ausreichend erhöht werden kann.
Ruhe:
Wie erreichen sie das?
Pabbel:
Nun, das gehört nicht mehr zu meinem Aufgabenbereich. Mit der Anschaffung des Serums ist der geschäftliche Teil ja überwiegend erledigt. Ich bin ja auch nur ein Rädchen von vielen, die bei einer Grippeepidemie ineinandergreifen. Für die weiteren Abläufe kommen ja auch wieder andere Interessengruppen ins Spiel, die die weiteren Abläufe mit eigenen Experten zu steuern bemüht sind.
Ruhe:
Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Pabbel, und die interessanten Einblicke.

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